Die Zeit von 1945 bis in die 1980er Jahre war eine wichtige Etappe in der Entwicklung der Psychiatrie in Österreich, insbesondere im Hinblick auf Menschen mit Behinderungen. Dieser Zeitraum ist durch bedeutende Veränderungen in den Ansätzen zur Behandlung psychischer Störungen, Verbesserungen der Bedingungen in psychiatrischen Einrichtungen und den Beginn einer Bewegung in Richtung sozialer Integration gekennzeichnet. Wien als kulturelle und wissenschaftliche Hauptstadt spielte bei der Gestaltung dieser Veränderungen eine wichtige Rolle und beeinflusste die psychiatrische Praxis in Europa.
1945-1950er Jahre: Erholung vom Krieg und Auswirkungen auf die Psychiatrie
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren die psychiatrischen Einrichtungen in Österreich, auch in Wien, mit den Folgen der Zerstörung und der moralischen Krise konfrontiert. Der Krieg hatte tiefe Spuren in der Gesellschaft hinterlassen, und Menschen mit psychischen Störungen gehörten zu den am meisten gefährdeten Gruppen. Die Psychiatrie hielt in dieser Zeit weiterhin an traditionellen Ansätzen fest, die auf Isolation und medizinischer Kontrolle beruhten. In einer Gesellschaft, die Traumata wie Massendepressionen, posttraumatische Belastungsstörungen und eine steigende Zahl von Behinderten erlebt hatte, wurde jedoch die Frage aufgeworfen, ob es notwendig sei, die Behandlung und das Leben von Menschen mit psychischen Störungen zu verbessern.
Die 1960er Jahre: Beginn der Reformen und Kritik an der Isolation
Ab den 1960er Jahren gab es in der Wiener Psychiatrie erste Anzeichen für Reformen. Dies war eine Zeit, in der sich die Psychiatriereform in Europa aktiv entwickelte, mit dem Ziel, Menschen mit psychischen Störungen zu deinstitutionalisieren und in die Gesellschaft zu integrieren. Auch Wien blieb von diesen Entwicklungen nicht verschont, und die lokalen psychiatrischen Einrichtungen begannen, ihre Behandlungsmethoden zu überarbeiten. Eine wichtige Entwicklung war der Ausbau von Sozialprogrammen und die verstärkte Konzentration auf die psychosoziale Rehabilitation.
Eine bedeutende Persönlichkeit dieser Zeit war der österreichische Psychiater Viktor Frankl, der, obwohl er eher für seine Arbeiten zur existentiellen Psychotherapie bekannt ist, auch einen humanistischen Ansatz in die psychiatrische Praxis einbrachte. Frankl vertrat die Idee, dass der Psychotherapeut dem Patienten helfen sollte, einen Sinn im Leben zu finden, was die Wahrnehmung von Menschen mit Behinderungen im psychiatrischen System beeinflusste.
Die 1970er Jahre: die Bewegung für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und der Beginn der Inklusion
In den 1970er Jahren verstärkte sich in Österreich die Bewegung für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Zu dieser Zeit entstanden auch die ersten Organisationen, die sich für Menschen mit geistiger Behinderung einsetzten. Wien wurde zu einem wichtigen Zentrum für die Diskussion über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, und das zunehmende öffentliche Bewusstsein für Behinderungen und psychische Erkrankungen führte Jahr für Jahr zu Veränderungen in den Behandlungsansätzen. Aktivisten begannen, für bessere Bedingungen in psychiatrischen Krankenhäusern und für das Recht auf Arbeit, Bildung und Teilhabe an der Gesellschaft für Menschen mit Behinderungen zu kämpfen.
Zu dieser Zeit begann ein allmählicher Übergang vom traditionellen Modell der Hospitalisierung und Überwachung zu Modellen, die sich auf die Behandlung in der Gemeinschaft konzentrierten. Es entstanden immer mehr Netzwerkorganisationen und Selbsthilfegruppen, die Menschen mit Behinderungen den Zugang zu sozialer Rehabilitation ermöglichten und ihnen vor allem ein größeres Maß an Autonomie und Unabhängigkeit boten.
Die 1980er Jahre: die letzte Phase der Reform und die Entwicklung der sozialen Eingliederung
In den 1980er Jahren wurden viele traditionelle psychiatrische Praktiken überarbeitet. Ein wichtiger Punkt war der Beginn der weitgehenden Abteilungsbildung in der psychiatrischen Versorgung, die es Menschen mit psychischen Störungen und Behinderungen ermöglichte, psychiatrische Einrichtungen zu verlassen und in integrativeren Settings zu leben. Die Wiener Psychiatrie wurde offener für neue Techniken, einschließlich psychotherapeutischer und rehabilitativer Techniken, und es wurde mehr Wert auf die soziale Unterstützung der Patienten gelegt.
In diesem Zusammenhang wurde die soziale Eingliederung ein wichtiger Aspekt. In den 1980er Jahren begann Österreich, Programme für Menschen mit Behinderungen zu entwickeln, die auf deren berufliche Rehabilitation, den Zugang zu Bildung und die Teilnahme am kulturellen Leben abzielten. Die psychiatrische Versorgung orientierte sich zunehmend an den Bedürfnissen des Patienten als Person und nicht nur als Behandlungsobjekt.
Fazit
Die Zeit von 1945 bis in die 1980er Jahre war in der Wiener Psychiatrie eine Zeit des Wandels für Menschen mit Behinderungen. Während die Psychiatrie in den ersten Nachkriegsjahrzehnten noch brutal und isolierend war, begannen Menschen mit Behinderungen mit der Entwicklung der sozialen Inklusion und der Deinstitutionalisierung mehr Möglichkeiten für ein erfülltes Leben zu erhalten. Die Psychiatriereform in Wien beeinflusste nicht nur die medizinische Praxis, sondern auch die öffentliche Wahrnehmung von Behinderung, was ein wichtiger Schritt hin zu einer integrativeren und humaneren Gesellschaft war.